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 Helmut Knirim

 Malerei als Natursuche (Teil I)

 

  Wenn man einerseits bedauert, dass sich Sabine Grazianski seit etwa zehn Jahren als erfolgreiche Buchillustratorin zurückgezogen hat, so muss man andererseits in der Auseinandersetzung mit ihrer seitdem ausschließlich geübten freien Malereierfreut feststellen, dass die Aufgabe der angewandten Tätigkeit immense Kräfte mobilisiert hat. Wir begegnen einer Künstlerin, die mit explosivem Malfuror ans Werk geht, deren Spontaneität expressive Triebtäterschaft erkennen lässt, so als gelte es, mit vehementen Pinselstrichen die penible Gestaltungsweise des Illuminierens wegzuwischen. Es wäre jedoch falsch, von gestischer tachistischer Toberei zu sprechen, denn den Bildern wohnt eine thematische Erfindungskraft inne, eine Fabulierlust, die sicher ein Relikt aus der Zeit ist als es darum ging, vorgegebenen Texten eine vielgestaltige und entdeckungsträchtige Bildwelt beizusteuern. Es ist bewundernswert, wie konsequent Sabine Grazianski diesen Seitenwechsel gemeistert hat.

   Ein erstaunlich umfangreiches Oeuvre ist mittlerweile entstanden. Werke aus einzelnen Entstehungszusammenhängen ergänzen nebeneinander zu epischen Friesen, zu Erzählungen mit verschlüsselten Handlungen und Orten. Flächige, silhouettenhaft wirkende Figuren verschmelzen mit undifferenzierter und deshalb auch komplizierter Räumlichkeit. Dinge der Wahrnehmungswelt bleiben erkennbar, werden aber in völlig neuen, auf den ersten Blick fremdartigen, mitunter gar chaotischen Konstellationen vorgeführt. Sie wirken wie bruchstückhafte Erinnerungen an die sichtbare Wirklichkeit, die vom Betrachter erst geordnet  und neu sortiert werden müssen.

  Ungewohnte Motivkombinationen und –verfremdungen  suggerieren Sinnzusammenhänge, die jedoch trotz intensiver Bemühungen des Rezipienten mehrdeutig und mehrschichtig bleiben, Verfremdungen bis hin zur Unkenntlichkeit. Und das ganze Repertoire an veristischen Details wird einer mitunter irritierenden, manchmal gar dissonanten Farbregie unterworfen.